Insgesamt 90.000 Menschen waren während des am Sonntag zu Ende gegangenen 101. Katholikentages in Münster unterwegs, darunter auch sehr viele junge Familien. Was bringt Eltern dazu, sich für ein langes Wochenende mit ihren Kindern, bepackten Rucksäcken und einem Quartiersausweis für eine Gemeinschaftsunterkunft in einer Schule oder Turnhalle auf den Weg zu einem Kirchentreffen zu machen?
Diese Frage konnten wir bis letzte Woche auch nicht beantworten. Auch jetzt sind unsere Eindrücke, da wir den Katholikentag bequem in unserer Stadt erleben durften, sicher nicht mit denen der weitgereisten Gäste zu vergleichen. Aber auch uns hat das Erlebnis Katholikentag tief beeindruckt. Dies lag gar nicht unbedingt an dem Programm, auch wenn auf dem Katholikentag religöse, gesellschaftliche und soziale Themen in einer Breite und auch Offenheit diskutiert werden, wie nur auf wenigen anderen Veranstaltungen.
Trotz gut organisierter Kinderbetreuung an allen Veranstaltungsorten, um auch Eltern den Besuch der Podien und Workshops zu ermöglichen, haben wir die meiste Zeit draußen auf der Straße verbracht. Dort war das Angebot mindestens genauso bunt und erlebbar, was den Katholikentag ausmacht: eine fröhliche, gemeinschaftliche, ja friedliche Atmosphäre. Diese war während der Tage in der ganzen Stadt spürbar: bei guter Stimmung in total überfüllten Bussen, bei freundlichen Gesprächen in der Warteschlange oder einfach bei Begegnungen an den Ständen auf der Kirchenmeile.
Wir laden euch ein zu einem kleinen Spaziergang über den Katholikentag in Münster, um diese Eindrücke zu teilen.
Familiengottesdienst unter freiem Himmel
Los geht es am Donnerstag morgen mit einem Open-Air-Gottesdienst für Familien auf dem Domplatz. Gestaltet vom Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ und der Band der Jugendkirche effata[!] aus Münster steht hier weniger die kirchliche Liturgie im Vordergrund, sondern das gemeinsame Feiern und Singen.
Daneben wird vor allem die Idee der Sternsinger, sich für das Leben von Kindern in anderen Ländern zu interessieren und ein zu setzen, vermittelt.
Ein tolles Gefühl mit mehrern tausend Familien gemeinsam zu feiern.
Podiumsdiskussion zu sozialer Gerechtigkeit in Deutschland
Mittags geht es mit dem Shuttlebus zum Kongresszentrum. Auf dem Weg noch schnell ein Blick in das Programm. Die Auswahl beeindruckt und überfordert uns gleichzeitig. Sollen wir zum Podium „Frieden durch internationale Kooperation“ mit Frank-Walter Steinmeier oder doch lieber hören was der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos zum Friedensprozess in seinem Land sagt? Vor Ort bleibt uns die Qual der Wahl dann erspart. Angesichts der langen Schlagen geht es nur noch darum, einen Platz in irgendeiner Veranstaltung zu bekommen.
Den Kindern wollen wir eine 90minütige Podiumsdiskussion nicht zumuten. Daher vorher noch schnell zur Kinderbetreuung, die von den Berufskollegs und Fachschulen für Erzieherinnen und Erzieher sehr gut und liebevoll organisiert wird. Vielen Dank dafür!
Im Podium „Wie gerecht geht es in Deutschland zu?“ bekommen wir einen Platz in der letzten Reihe und hören Frank Bsirske, Katrin Göring-Eckardt und Julia Klöckner bei ihrer Diskussion über Rente, Mindestlohn, Managergehälter und junge Familien auf der Suche nach Wohnraum zu. Die Diskussion liegt über dem üblichen Talkshow-Niveau und verläuft wenig kontrovers. Offensichtlich halten sich die Teilnehmer an das Friedensmotto des Katholikentags. Am Ende bleibt es aber beim Austausch bekannter Argumente.
Auf dem Weg zur Kinderbetreuung läuft uns dann doch noch der Bundespräsident mit seiner Entourage über den Weg. Auch das ist spannend am Katholikentag. Die Prominentendichte ist hier so hoch, dass auch Kinder hier immer wieder ein „Gesicht aus dem Fernsehen“ entdecken.
Nacht der Lichter mit Brüdern aus Taize
Am Donnerstag Abend findet die Nacht der Lichter mit den Brüdern aus Taizé statt. Kurz nach Beginn um 21:00 Uhr hat sich die mit 3.000 Menschen gefüllte und sonst eher kalte Halle in einen Ort der Stille und Andacht verwandelt. Wer hier aus dem geschäftigen Treiben draußen eintaucht, steht plötzlich in einer anderen Welt.

Taize-Gottesdienst mit Gesang und Kerzenschein am Donnerstag, den 10.05.2018 beim 101. Deutschen Katholikentag in Muenster. FOTO: katholikentag.de, Katharina Tenberge Photography

Taize-Gottesdienst mit Gesang und Kerzenschein am Donnerstag, den 10.05.2018 beim 101. Deutschen Katholikentag in Muenster. FOTO: katholikentag.de, Katharina Tenberge Photography
Es werden Lieder mit wenigen Strophen und immer wiederkehrenden Refrains gesungen. Nach und nach werden die Kerzen entzündet. Nach einiger Zeit gelingt es, die Gedanken des Tages hinter sich zu lassen. Irgendwann ist man ganz im Hier und Jetzt angekommen. Zwei Stunden lang gibt es keine Ablenkung. Trotz der vielen Menschen herrscht zwischen den Liedern absolute Stille. Eine magische Stimmung.
Mitmachangebote im Zirkuszelt und Dorf
Nach so viel meditativer Stimmung wird es am nächsten Tag wieder Zeit für etwas Spiel und Spaß. Eine ganze Reihe von Angeboten sorgt dafür, dass Kinder in allen Altersklassen nicht nur zuhören, sondern auch mitmachen können.
Ein beliebter Treffpunkt für Familien ist das Zirkuszelt der Salesianer Don Boscos. Zwischen den Workshops zu Kinder- und Jugendthemen gibt es regelmäßig einen Mitmachzirkus. Balancieren, Klettern, Jonglieren steht hier auf dem Programm. Morgens, Mittags und Abends findet ein kurzer Meditatonsimpuls statt.
Ein anderes Erlebnisprojekt ist das Dorf der Katholischen Landjugendbewegung. Unter dem Motto „Dorf findet Stadtt“ wird das Dorfleben mit allen seinen Facetten in die Stadt geholt. Eine kleine Kirche, ein Dorfplatz, ein Dorfcafé und natürlich ein Bauernhof sind aufgebaut. Besonders schön ist das Erzählzelt in dem Kinder den ganzen Tag Geschichtenerzählern zuhören oder Puppenspiele verfolgen können.
Kirchenmeile
Zum Abschluss schlendern wir über die Kirchenmeile. Hier zeigt sich die ganz Breite der Gruppen und Organisationen, die im kirchlichen, sozialen und entwicklungspolitischen Bereich tätig sind. Wir sind beeindruckt von der Vielfalt und von dem ehrenamtlichen Engagement so vieler Menschen. An den Ständen ergeben sich Gelegenheiten zu Gesprächen über „Gott und die Welt“.
Doch auch nachdem die Zelte geschlossen sind, zieht es die meisten Menschen weiter durch die Straßen und auf die Plätze, um diese besondere Atmosphäre bis spät in den Abend zu genießen. Dabei zeigt sich Münster seinen Besuchern auch was das Wetter angeht von seiner besten Seite.
Nach fünf Tagen reisten die meisten Besucher am Sonntag nach dem Abschlussgottesdienst vor dem Schloss übermüdet und mit schmerzenden Füßen aber auch inspiriert von den Diskussionen, beschwingt von der Musik und glücklich angesichts der erlebten Atmosphäre wieder ab.
Klingt etwas kitschig? Vielleicht. Trotzdem ist es wahrscheinlich genau dass, was so viele Menschen und auch Familien auf so einem Treffen suchen: Einen Blick über den eigenen Dunstkreis des Alltags hinaus, einen Eindruck vom Gemeinschaftsgefühl mit anderen Menschen, eine Offenheit für zufällige Begegnungen, ein Interesse am Engagement für Andere, eine Idee von gesellschaftlichem Frieden. Vieles davon wird dann ab Montag im Alltag wieder verblassen. Trotzdem werden auch gerade bei Kindern einige Eindrücke davon bestehen bleiben und auch über den Tag hinaus prägend sein.
Wir wären wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen, zu einem Katholikentag in eine andere Stadt zu fahren. Umso mehr freuen wir uns, dass wir dieses besondere Ereignis hier in Münster erleben durften. Ob wir uns demnächst auch mal mit gepackten Rucksäcken zu einem Kirchentreffen aufmachen? Mal sehen. Die nächste Gelegenheiten dafür gibt es im nächsten Jahr zum evangelischen Kirchentag in Dortmund oder 2021 zum ökumenischen Kirchentag in Frankfurt. Bis dahin versuchen wir erstmal die positiven Eindrücke in unseren Alltag mit zu nehmen.