Das gesamte Gebiet nördlich von Bergen bis hinauf nach Trondheim wird als Fjordnorwegen bezeichnet. Von National Geographic wurde Fjordnorwegen 2009 zum besten Reiseziel der Welt gekürt. Tatsächlich erwarten uns auf unserer Reise von nun an nur noch Superlative. Wir werden mit der Fähre durch den schmalsten Fjord Europas fahren, auf den größten Festlandgletscher in Europa klettern und schließlich unser Wohnmobil am Zipfel von Norwegens bekanntesten Fjord direkt neben riesigen Kreuzfahrtschiffen parken. Die steilste Passstraße – den Trollstigen – haben wir letztlich leider nicht geschafft– natürlich nicht aus Angst . . . sondern nur aus Zeitgründen.
Ich kann es vorwegnehmen: die Auszeichnung durch National Geographic ist nicht übertrieben. Fjordnorwegen bietet alle vorstellbaren Naturerlebnisse auf relativ kleinem Raum, die man sonst durch viele Reisen in unterschiedliche Länder „sammeln“ muss. Tiefe Fjorde, spektakuläre Gletscher, Wasserfälle, endlose Wälder, herrliches Bergpanorama. Dazu unzählige Sport- und Outdoormöglichkeiten und – für Familien mit Kindern nicht unwichtig –eine hervorragende Infrastruktur, welche die Grundversorgung praktisch bis in das letzte Tal sicherstellt. Auch die Campingplätze sind zum überwiegenden Teil sehr gut ausgestattet und sehr sauber. Kurzum auch für Familien mit kleinen Kindern ist Fjordnorwegen ein absolut unproblematisches Reiseziel. Wo kann man das schon von einem echten Natur- und Abenteuerreiseziel behaupten?
Unsere Tour durch dieses wunderschöne Gebiet führte uns auf der Straße von Bergen über Voss (schöner Campingplatz direkt am See: www.vosscamping.no) bis nach Gudvangen. Von dort geht es mit der Fjordfähre durch den Naeroyfjord, der später in den Aurlandsfjord und dieser wiederum in den riesigen Sognefjord mündet, nach Kaupanger und von dort direkt weiter nach Sogndal. Die Fahrt mit der Fähre durch die Fjorde ist zwar Mittel zum Zweck um von A nach B zu kommen. Allerdings ist sie gleichzeitig ein ganz besonderes Erlebnis. Das gilt vor allem für den Naerofjord – den schmalsten Europas – durch den sich die Fähre zwischen den bis zu 1000 m aufragenden Felswänden hindurchschlängelt.
Nach so viel Abenteuer wollen wir es für die nächsten Tage etwas ruhiger angehen lassen. Hierfür finden wir bei Sogndal einen wunderschönen Campingplatz direkt am Fjord (NAF Kjornes Camping; www.kjornes.no). Da auch das Wetter mitspielt, können wir hier sogar so etwas wie Strand- und Badeurlaub genießen. Auf unserer ersten Reisehälfte haben wir schnell gelernt, dass gerade die Abwechslung von Erlebnis und Erholung notwendig ist, um mit einem kleinen Kind eine entspannte Reise zu haben. Das Wohnmobil als mobiles Hotelzimmer ist hierfür ideal. Egal ob wir wie in Sogndal mehrere Tage zum Ausspannen an einem Ort bleiben oder möglichst viele Ort in wenigen Tagen abklappern möchten, wir brauchen keine Koffer packen, da unser mobiles Hotelzimmer immer dabei ist.
Vom Campingplatz mit Strand am Fjord bis zum Jostedalsbreen – dem größten europäischen Festlandgletscher – sind es keine zwei Stunden Fahrt. Von der südlichen Seite erreicht man die Gletscherzunge Nigardbreen von Gaupne aus durch das Jostedal. Am Ende des Tales gibt es das Gletscher-Informationszentrum, ein Gästehaus und zwei Campingplätze. Wir haben mit dem Jostedal Camping (www.jostedalcamping.no) den etwas komfortableren genutzt. Ansonsten ist man hier wirklich am Ende der Welt. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, sich einer Gletschertour anzuschließen, die man im Informationszentrum und bei diversen Anbietern buchen kann.
Unser weiteres Ziel ist der bekannte und von Kreuzfahrtschiffen bevölkerte Geirangerfjord. Von Jostedal geht es zunächst in Richtung Lom durch den sehr schönen Jotunheim Nationalpark. Diese Gebirgslandschaft ist ein abwechslungsreiches Wander- und Outdoorgebiet. Leider ist sie für uns diesmal nur Durchfahrtsstation, aber der Weg über den Sognefjell-Pass auf 1.430 m ist auch ein Erlebnis an sich.
Nach all diesen Natureindrücken bietet Lom mit einer 800 Jahre alten Stabkirche zum Ausgleich auch ein paar kulturelle Eindrücke. Die Stabkirchen sind Norwegens Beitrag zur Kunstgeschichte. Aus dem 11. bis 12. Jahrhundert stammen diese Bauwerke, die in Anlehnung an die Schiffbautechnik gebaut wurden und von senkrecht stehenden Holzstäben getragen werden.
Von Lom geht es auf einer breiten, gut ausgebauten Straße dann in Richtung Geiranger und dem dazugehörigen Fjord. Aber kurz bevor es hinunter zum Fjord geht, sollte man sich noch einer sportlichen Fahrherausforderung stellen und die Abzweigung zum Aussichtspunkt Dalsnibba auf 1.476 m nehmen. Die steile, teilweise ungeteerte Straße führt in vielen Serpentinen auf den Berg. Richtig lustig wird es aber wenn mindestens an jeder zweiten Kehre ein Reisebus in Sicht kommt, der die Touristen der im Fjord liegenden Kreuzfahrtschiffe hinauffährt. Nachdem man oben angekommen ist, sollte man durchatmen, den Schweiß von der Stirn wischen und möglichst lange den folgenden Ausblick genießen:
Geiranger selber ist ein kleines Dorf am Zipfel des bekannten Geirangerfjords. Ein paar Häuser lassen auf den ehemals ursprünglichen Dorfcharakter schließen. Heute ist der Ort aber übersäht mit Souvenierläden und überteuerten Cafes. Ausgerechnet in diesem kleinen Dorf finde ich als einzigen Ort unserer Reise im Supermarkt ein breites Angebot ausländischer Zeitschriften. Warum dies so ist, wird mir am nächsten Morgen klar. Wir haben am Abend zuvor unseren Campingplatz bezogen und einen Stellplatz direkt am Wasser bekommen. Als ich am frühen Morgen noch etwas schläfrig aus dem Wohnmobil steige, ist der Fjord verschwunden. Besser gesagt, er hat sich hinter einer riesigen Wand versteckt. Direkt vor uns und nur wenige Meter vom Ufer entfernt, hat über Nacht ein Aida-Kreuzfahrtschiff festgemacht. Ich fühle mich fast etwas an die Anfangsszene von Independence Day erinnert Vor allem als ich sehe, dass hinter diesem Raumschiff . . . äh Kreuzfahrtschiff noch zwei weitere in etwas Entfernung im Fjord liegen. Auf kleinen roten Booten, die zwischen den Schiffen und der Anlagestelle hin und her pendelt, werden die Passagiere an Land gebracht. Die Invasion hat begonnen. Heute ist Geiranger nicht wieder zu erkennen. Der Ort wird mit dem Vielfachen seiner Bewohner geflutet. In den Straßen wird deutsch, englisch, italienisch und russisch gesprochen. Am Spätnachmittag lehrt sich der Ort dann wieder, die kleinen roten Boote bringen die Kreuzfahrer wieder zurück an Bord.
Wir steigen am Nachmittag auch in ein Boot, allerdings eine Nummer kleiner. Denn die eigentliche Attraktion von Geiranger – neben den Kreuzfahrtschiffen – ist nur vom Wasser aus zu besichtigen. Es sind die Wasserfälle, die von den steilen Berghängen in den Fjord rauschen und entsprechend ihrer Form Namen tragen wie die Sieben Schwestern, der Freier und der Brautschleier.
Route
Tipps
- Informationszentrum für den Jostedal Nationalpark
- Anbeiter von Gletscher- und Kajaktouren:
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