Sarah ist doof! Marco liebt Lisa. Diese und noch einige weniger jugendfreie, mit buntem Filzstift an die Decke des Etagenbett gekritzelte Sprüche begleiten uns heute beim Einschlafen.
Eigentlich war ich mir sicher, dass nach diversen Klassenfahrten und Aufenthalten in Schullandheimen dieses Kapitel endgültig beendet ist. Aber auf Reisen mit dem eigenen Nachwuchs muss man seine festen Prinzipien halt immer mal wieder aufgeben. Nachdem wir in der Vergangenheit schon ein Kinderhotel am anderen Ende der Komfort-Skala ausprobiert haben, schien uns für einen Wochenendaufenthalt in Karlsruhe diesmal eine preisgünstige, zweckmäßige und hoffentlich auch kinderfreundliche Unterkunft angebracht. Wir waren daher gespannt ob die klassische Jugendherberge tatsächlich eine passende Unterkunftsalternative auch für künftige Familienreisen ist.
Bei der Ankunft finden wir uns dann auch sehr schnell in der typischen Jugendherbergs-Atmosphäre wieder. Aus einem Fenster im 1. Stock weht eine südamerikanische Nationalfahne. In der Eingangshalle stellen wir fest, dass diese zu einer Gruppe von ecuadorianischen Austauschülern gehört, die gefühlt die gesamte Jugendherberge auf allen Fluren und Gängen bevölkern. Die Begrüßung an der Rezeption fällt dann sehr freundlich und persönlich aus. Als wir uns schon auf den Weg zu unserem Zimmer machen wollen, folgt noch der Hinweis, dass wir uns das Bettzeug bitte von dem großen Wagen um die Ecke mitnehmen sollten. Unsere zurückliegenden Jugendherbergs-Erfahrungen sind wohl doch schon zu sehr vom Kinderhotel überlagert, um zu wissen, dass das Konzept der Jugendherberge eine Beteiligung der Gäste an gewissen Tätigkeiten vorsieht.
Die erste Zeit auf unserem Zimmer verbringen wir also damit unsere Betten zu beziehen, was bei einem Etagenbett mit 1,80 Meter Höhe fast schon zu einer Turnübung wird. Genau dass begeistert unseren Sohn auf Anhieb für unsere Bleibe für die nächsten Tage. Er springt freudig über alle Betten, klettert nach oben und verteilt die Schlafplätze alle fünf Minuten neu. Auch die Tatsache, dass wir Dusche und Toilette mit dem Nachbarzimmer teilen, sorgt bei ihm eher für interessierte Neugier als für gebremste Begeisterung wie bei uns. Während wir noch mit dem nüchternen Charme des Zimmers fremdeln und uns insgeheim etwas Hotel-Komfort wünschen, hat er mit kindlicher Unvoreingenommenheit das Zimmer einfach zum Abenteuerspielplatz umfunktioniert und fühlt sich hier pudelwohl.
Am nächsten Morgen im Frühstücksraum stellen wir dann fest, dass neben den Austauschschülern tatsächlich Familien mit Kindern die zweite größere Besuchergruppe hier sind. Gut geschlafen haben wir auch in unseren Etagenbetten, so dass wir unserem Experiment Jugendherberge heute Morgen schon etwas positiver gesonnen sind. Das sehr gute Frühstücksbuffet, das von Müsli über Brötchen und Eiern tatsächlich keine Wünsche offen lässt, tut dann sein Übriges. Schnell werden wir auch mit der neben dem Bettbeziehen zweiten wichtigen Tätigkeit vertraut, die jeder Jugendherbergsgast zu erfüllen hat: Geschirr abräumen und Tisch abwischen. Gerade bei letzterem sind die Kinder dankbare Helfer, so dass vor dem Eimer mit Wischlappen bald dichtes Gedränge herrscht.
Auch wir als Eltern schätzen mittlerweile die angenehm unkomplizierte Umgebung, bei der alles auf das wirklich Wesentliche beschränkt ist. Das Prädikat kinderfreundlich hat sich die Jugendherberge jedenfalls verdient, ganz ohne eigenes Unterhaltungsprogramm. Kinder fallen hier – anders als in den meisten Hotels – einfach nicht auf. Trubelig und etwas lauter ist es sowieso, da macht ein tobendes Kind keinen Unterschieden. Wird es doch einmal zu laut, kann man die Kinder immer noch auf den Spielplatz oder das Fußballfeld schicken, die direkt hinter dem Haus liegen. Hinzu kommt, dass die Jugendherbergen häufig über eine sehr gute, zentrale Lage verfügen. In Karlsruhe ist man in 10 Minuten zu Fuß im Zentrum. Außerdem ist es zum Schlossgarten nicht weit. Der Weg dorthin führt über breite Fahrradwege durch den Wald. Beste Voraussetzungen also für ausgedehnte Laufrad-Touren.
Kinderfreundlich ist unsere Jugendherberge also, zweckmäßig wohl auch. Bliebe noch das letzte Kriterium: preisgünstig. Als dreiköpfige Familie für 110 EUR zweimal mit Frühstück zu übernachten ist zwar kein absolutes Schnäppchen aber angesichts der Lage mitten in der Stadt noch eine durchaus preisgünstige Unterkunft. Zumal der obligatorische Jugendherbergsausweis mit 20 EUR Jahresbeitrag darin schon enthalten ist.
Wenn man also nicht bei jedem Kurzurlaub einen umfassenden Hotel-Service benötigt, ist die Jugendherberge auch mit Kindern gerade für Städtereisen eine gute Alternative. Dank der Erinnerungen an die eigenen Klassenfahrten, kann nachher auch niemand behaupten, nicht gewusst zu haben worauf er sich einlässt. Je nachdem wohin man fährt, kann man sogar deutlich positiv überrascht werden. So gibt es neben speziellen Reisepaketen für Familien auch zertifizierte Familien-Jugendherbergen, die neben der notwendigen Ausstattung (Kleinkindbetten, Hochstühle, Babyphone) auch häufig eigene Freizeitangebote für Kinder bieten. Mit den Unterkünften aus der Jugenderinnerung hat das dann tatsächlich nicht mehr viel zu tun.
Weitere Informationen
- Alle Informationen zu den Angeboten für einen Familienurlaub in der Jugendherberge: http://www.jugendherberge.de/de-DE/familien
- Homepage der Jugendherberge Karlsruhe: http://karlsruhe.jugendherberge-bw.de/de-DE/Portraet
Karte
Im Prinzip finde ich die Idee, Familienferien in einer Jugendherberge zu verbringen, sehr schön. So kann man auch bei kleinem Budget gemeinsam Familienferien machen 🙂